Können Katzen autistisch sein?

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Katze zeigt Verhaltensweisen, die möglicherweise auf Autismus hinweisen.

Die Autismus-Spektrum-Störung (ASD) ist eine Entwicklungsstörung beim Menschen. Sie äußert sich unter anderem durch Schwierigkeiten in der verbalen und nonverbalen Kommunikation, eingeschränkte soziale Interaktion sowie durch wiederholte oder ritualisierte Verhaltensmuster.

Aufgrund bestimmter Verhaltensweisen von Katzen und des Buchs „Alle Katzen sind autistisch“ von Kathy Hoopman glauben manche Menschen, dass Katzen autistische Züge haben könnten.

Aber sind Katzen tatsächlich autistisch – oder neigen wir dazu, sie zu sehr zu vermenschlichen?

Können Katzen Autismus haben?

Auch wenn Katzen mitunter Verhaltensweisen zeigen, die an typische Anzeichen von Autismus beim Menschen erinnern, gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Katzen tatsächlich Autismus haben.

Wir Menschen lieben unsere Katzen und empfinden eine enge Bindung zu ihnen. Daher neigen wir oft dazu, ihr Verhalten aus menschlicher Perspektive zu deuten – dieser Vorgang wird als Anthropomorphisierung bezeichnet.

Das kann leicht zu Missverständnissen führen – etwa, wenn ganz normales Katzenverhalten fälschlicherweise als Zeichen für Autismus gedeutet wird.

Katzen nehmen ihre Umwelt anders wahr als wir und denken auch nicht wie Menschen.

Werfen wir nun einen genaueren Blick darauf.

Inwiefern das Verhalten von Katzen dem Autismus beim Menschen ähneln kann

Devon Rex-Katze zeigt ihr einzigartiges Aussehen

Gewöhnliches Katzenverhalten kann auf den ersten Blick Ähnlichkeiten mit typischen Autismus-Symptomen beim Menschen aufweisen.

1. Antisoziales Verhalten

Ein häufiges Merkmal autistischer Menschen ist eine gewisse soziale Zurückgezogenheit. Dabei geht es weniger darum, bewusst allein sein zu wollen, sondern vielmehr darum, Schwierigkeiten zu haben, soziale Signale zu deuten und sich auf typische zwischenmenschliche Interaktionen einzulassen.

Auch Katzen ziehen sich gern mal zurück – doch das hat andere Gründe. Es liegt nicht daran, dass sie unsere sozialen Signale nicht verstehen, sondern schlicht daran, dass sie manchmal lieber für sich sind.

In der freien Natur leben Katzen meist als Einzelgänger. Es ist also wenig überraschend, dass sie diesen Instinkt auch in unser Zuhause mitbringen.

Nicht alle Katzen sind Einzelgänger. Manche sind eher extrovertiert, suchen aktiv Gesellschaft und lieben es zu kuscheln. Andere wiederum ziehen sich lieber zurück und genießen ihre Ruhe – und das ist genauso in Ordnung. Für alle Katzen ist Platz – ganz gleich, wie unterschiedlich ihre Persönlichkeiten sind.

2. Lautäußerungen

Ein häufiger Grund, warum manche Katzenhalter denken, ihre Katze könnte autistische Züge haben, sind auffällige Lautäußerungen. Manche Menschen mit Autismus sprechen gezielt nur mit bestimmten Personen – ein Verhalten, das manche Katzen ebenfalls zeigen: Sie miauen, schnurren oder zwitschern nur in der Nähe bestimmter Menschen.

Doch das hat nichts mit Autismus zu tun – das ist einfach typisch Katze (Sie wissen, was ich meine!). Viele Katzen äußern sich nur gegenüber Menschen, zu denen sie eine enge Bindung haben – oder zu denen, die regelmäßig das Futter bringen.

Einige Katzen haben ihre Menschen regelrecht „trainiert“: Sie wissen genau, dass ein Miauen zur richtigen Zeit die Futterdose öffnet.

Bestimmte Rassen wie Siamkatzen oder Orientalisch Kurzhaar sind bekannt dafür, besonders gesprächig zu sein – das ist völlig normal und rassebedingt.

Wird Ihre sonst eher ruhige Katze plötzlich ungewöhnlich laut, kann das jedoch ein Warnsignal sein. Eine mögliche Ursache ist etwa eine Schilddrüsenüberfunktion – eine hormonelle Erkrankung, die vor allem bei älteren Katzen auftritt.

Wenn sich das Kommunikationsverhalten Ihrer Katze plötzlich deutlich verändert, sollten Sie sicherheitshalber einen Tierarzttermin vereinbaren.

3. Faszination für Licht und Bewegung

Wer schon einmal mit einem Laserpointer gespielt hat, weiß: Katzen sind von Lichtreflexen und Bewegungen regelrecht fasziniert. Doch das hat nichts mit Autismus zu tun – sondern schlicht mit ihrem ausgeprägten Jagdinstinkt.

In freier Wildbahn müssen Katzen jagen, um zu überleben. Daher reagieren sie instinktiv auf alles, was sich bewegt. Wenn man diesen natürlichen Trieb in die Wohnung überträgt – zum Beispiel mithilfe eines Laserpointers – ergibt sich eine wunderbare Möglichkeit, die Katze zu beschäftigen und spielerisch auszulasten.

Achten Sie dabei nur darauf, dass das Licht am Ende auf einem Leckerli oder einem Spielzeug landet. So kann Ihre Katze ihre „Beute“ auch wirklich fangen – und Sie vermeiden, dass sie frustriert ständig nur Lichtpunkten oder Schatten hinterherjagt.

4. Sensorische Anomalien

Menschen mit Autismus zeigen häufig besondere Reaktionen auf Sinnesreize – sogenannte sensorische Anomalien. Auch bei Katzen kann es vorkommen, dass sie weniger empfindlich auf ihre Umgebung reagieren oder ungewöhnlich tollpatschig wirken.

Doch auch das ist kein Hinweis auf Autismus. Wenn eine Katze solche Auffälligkeiten zeigt, steckt meist ein anderes gesundheitliches Problem dahinter.

Mögliche Ursachen können fortgeschrittene Nierenerkrankungen, Diabetes, Leberprobleme, Vergiftungen, Kleinhirnhypoplasie oder Hirntumore sein.

Wenn Ihre Katze Anzeichen von Koordinationsstörungen oder ungewöhnlich sensorischem Verhalten zeigt, sollten Sie nicht zögern und umgehend einen Tierarzt kontaktieren.

5. Starke Vorlieben

Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung (ASD) zeigen häufig ausgeprägte Vorlieben für bestimmtes Spielzeug oder bestimmte Nahrungsmittel. Auch Katzen sind für ihre festen Vorlieben bekannt – sei es beim Spielzeug oder beim Futter.

Manche Katzen entwickeln geradezu eine Fixierung auf ein einziges Spielzeug. Beim Futter sind sie oft noch wählerischer: So kann es vorkommen, dass eine Katze sternförmiges Trockenfutter frisst, dreieckiges aber kategorisch ablehnt. Wenn sie von klein auf an eine bestimmte Form gewöhnt wurde, fällt es ihr schwer, andere Formen als Futter zu akzeptieren.

Katzen, die ihr Leben lang nur Trockenfutter bekommen haben, können sich beim Anblick von Nassfutter ratlos zeigen. Um solche starren Futtervorlieben zu vermeiden, empfiehlt es sich, Katzen von Anfang an abwechslungsreich zu füttern – also eine Mischung aus Trocken- und Nassfutter anzubieten.

Was Spielzeug betrifft: Wenn Ihre Katze ein Lieblingsspielzeug hat, mit dem sie sich gerne beschäftigt, dann lassen Sie sie einfach – Hauptsache, sie ist glücklich.

Ist meine Katze also autistisch?

Katze, die Blickkontakt mit der Kamera aufnimmt und von einem Katzenspielzeug in der Nähe fasziniert ist

Autismus ist ein komplexes Syndrom, das ausschließlich den Menschen betrifft. Auch wenn manche Verhaltensauffälligkeiten bei Katzen oberflächlich an autistische Symptome erinnern, gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Katzen tatsächlich Autismus haben können.

Dieser Artikel soll Ihnen hoffentlich die Sorge nehmen: Ihre Katze – oder Katzen generell – leiden nicht an Autismus, zumindest nicht in der Form, wie wir ihn beim Menschen kennen. Die meisten Verhaltensweisen, die vielleicht „autistisch“ wirken, sind in Wirklichkeit vollkommen normales Katzenverhalten.

Sollte Ihre zuvor unauffällige Katze jedoch plötzlich auffällige Verhaltensänderungen zeigen, sich vermehrt zurückziehen, Anzeichen von Krankheit zeigen oder Sie sich in irgendeiner Weise Sorgen um ihr Wohlbefinden machen, zögern Sie nicht, Ihren Tierarzt zu kontaktieren und um Rat zu fragen.

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Dr. Sarah Wooten, DVM, CVJ

Dr. Sarah Wooten, Absolventin der UC Davis School of Veterinary Medicine im Jahr 2002, ist eine international bekannte Rednerin im Bereich Veterinärmedizin und Tiergesundheit. Sie verfügt über 10 Jahre Erfahrung als Rednerin und in der Medienarbeit und schreibt für zahlreiche Online- und Printmedien.
Tiergesundheitspublikationen. Dr. Wooten ist außerdem zertifizierter Veterinärjournalist, Mitglied der AVMA und verfügt über 16 Jahre Erfahrung in
Tierarztpraxis für Kleintiere. Weitere Informationen finden Sie unter drsarahwooten.com.