Ich denke, wir alle kennen das Gefühl, in einer Stresssituation zu stecken – dieses flaues Gefühl im Bauch, der Anstieg von Puls und Blutdruck sowie das Empfinden von Anspannung oder Unruhe. Jeder Mensch geht unterschiedlich mit Stress um. Manche suchen die Nähe vertrauter Personen, andere entspannen bei einem ausgiebigen Bad oder durch körperliche Aktivität. Auch Katzen erleben Stress, was sich durch ängstliches, nervöses oder sogar aggressives Verhalten äußern kann.
Wenn man als Katzenhalter versteht, woher Stress bei der Katze kommt, und typische Verhaltensweisen sowie Körpersignale richtig deutet, lassen sich gezielte Maßnahmen entwickeln, um sie zu beruhigen. Eine ängstliche Katze ist keine zufriedene Katze – und zu wissen, wie man mit Stress umgeht, ist wichtig für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden.
Warum muss eine Katze sich möglicherweise beruhigen?

Katzen können akut (aufgrund einer einzelnen, flüchtigen Situation) oder andauernd unter Stress leiden.
Wie viele Tierhalter schnell feststellen, sind Katzen Gewohnheitstiere. Sie schätzen ihre festen Abläufe, bevorzugten Rückzugsorte und kleinen Alltagsrituale. Entsprechend kann jede Veränderung im gewohnten Tagesablauf eine Stressquelle darstellen und bei der Katze Angst oder Unsicherheit auslösen.
Stress lässt sich in zwei Kategorien unterteilen: akut und chronisch. Akuter Stress entsteht plötzlich und dauert nur kurz an – etwa durch laute Geräusche oder die unerwartete Begegnung mit dem Hund aus der Nachbarschaft. Chronischer Stress hingegen entsteht durch anhaltende Belastungen, wie zum Beispiel ein neues Haustier, zu dem die Katze keine Beziehung aufbauen kann, oder dauerhafter Konkurrenzdruck um wichtige Ressourcen wie das Futter.
Anzeichen von Stress bei Katzen

Sie können auf die Körpersprache und das Verhalten Ihrer Katze achten, um zu erkennen, ob sie gestresst ist.
Unsere Katzen wirken auf uns oft geheimnisvoll. Wie kann man also überhaupt erkennen, ob eine Katze gestresst oder ängstlich ist? Der Schlüssel liegt darin, ihr Verhalten und ihre Körpersprache aufmerksam zu beobachten und richtig zu deuten. Unsere Haustiere können uns nicht sagen, dass sie sich unwohl fühlen – aber sie zeigen es deutlich.
Akuter Stress bei Katzen ist meist gut zu erkennen. Unsichere oder ängstliche Katzen nehmen oft eine angespannte, leicht gekrümmte Körperhaltung ein. Das Fell steht dabei unter Umständen ab, der Schwanz zuckt oder wird eng um den Körper gelegt. Die Ohren sind häufig nach hinten gedreht, die Pupillen geweitet und der Blick wirkt starr. Manche Katzen machen sich durch Fauchen oder Knurren bemerkbar, zeigen aggressives Verhalten oder ziehen sich an einen ruhigen, dunklen Ort zurück.
Chronischer Stress kann zu schleichenden und oft schwerer erkennbaren Verhaltensänderungen führen. Gestresste Katzen ziehen sich womöglich häufiger zurück, verändern ihre Fressgewohnheiten oder reagieren anders auf vertraute Menschen und andere Tiere im Haushalt.
Mitunter verrichten sie ihr Geschäft an ungeeigneten Stellen, markieren mit Urin oder kratzen vermehrt an Möbeln und auf dem Boden. Auch eine auffälligere Lautäußerung, Anzeichen von Trennungsstress oder aggressives Verhalten können Hinweise auf anhaltenden Stress sein.
Eine Katze beruhigen: Unsere 8 bewährten Schritte

Sie können eine Reihe von Strategien anwenden, um eine gestresste oder ängstliche Katze zu beruhigen.
Zeigt Ihre Katze Anzeichen von Angst oder Stress, steht für Sie natürlich im Vordergrund, ihr zu helfen. Aber wie genau geht man dabei vor? Als Tierarzt mit besonderem Interesse am Verhalten von Katzen habe ich über viele Jahre hinweg mit ihnen gearbeitet – und diese Strategien haben sich dabei am meisten bewährt.
1. Entdecken Sie die Quelle

Finden Sie heraus, was den Stress bei Ihrer Katze auslöst, damit Sie die Situation für sie verbessern können.
Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihre Katze nicht ganz ausgeglichen ist, lohnt es sich, genauer hinzusehen. Akute Stressauslöser sind meist gut zu erkennen: Wenn sich Ihre Katze bei Gewitter unter das Bett verkriecht oder jedes Mal aggressiv reagiert, sobald die Transportbox ins Spiel kommt, liegt die Ursache auf der Hand.
Chronische Stressfaktoren hingegen sind oft deutlich schwieriger zu identifizieren. Achten Sie daher besonders auf Körpersprache und Verhalten. In Haushalten mit mehreren Katzen entsteht häufig chronischer Stress – ebenso durch neue Haustiere, Familienzuwachs oder länger andauernde Veränderungen in der Umgebung, etwa durch Bauarbeiten. Wenn Sie die Ursache für die Unruhe kennen, können Sie sie entweder vermeiden oder zumindest gezielt entschärfen.
2. Sorgen Sie für einen sicheren Ort

Katzen fühlen sich am sichersten, wenn sie hoch oben sind und Rückzugsmöglichkeiten oder Verstecke haben.
Unsere Hauskatzen stammen von Wildkatzen ab, die nicht nur Jäger, sondern auch selbst Beutetiere größerer Tiere waren. Aus diesem Grund meiden Katzen häufig offene Flächen und ziehen sich instinktiv in sichere Verstecke zurück, wenn sie sich bedroht fühlen. Viele Katzen haben zudem den natürlichen Drang, erhöhte Positionen aufzusuchen – sie verschaffen sich so einen besseren Überblick und fühlen sich zugleich geschützt.
Ihre Katze wird sich deutlich wohler fühlen, wenn sie verschiedene Rückzugsorte zur Verfügung hat, in die sie sich bei Bedarf zurückziehen kann. Sorgen Sie daher für vertikale Flächen wie einen Kratzbaum oder ein erhöhtes Liegeplätzchen. Verstecke sollten klein, dunkel, ruhig und gemütlich sein. Wichtig ist auch, dass Ihre Katze Fluchtmöglichkeiten hat – etwa bei Begegnungen mit anderen Haustieren oder unbekannten Besuchern.
3. Zugriff auf Ressourcen sicherstellen

Stellen Sie in Haushalten mit mehreren Katzen genügend Näpfe, Betten und Kratzbäume für jede Katze bereit und stellen Sie mindestens eine Katzentoilette pro Katze plus eine zusätzliche an verschiedenen Stellen auf.
Alle Katzen haben bestimmte Grundbedürfnisse: Futter, frisches Wasser, eine saubere Katzentoilette, ein gemütlicher Schlafplatz, Spielzeug und mehr. Doch es genügt nicht, diese Dinge einfach bereitzustellen. Auch ihre Anzahl und die Platzierung im Wohnraum spielen eine wichtige Rolle. In Haushalten mit mehreren Katzen kann es zu ungewolltem Stress kommen, wenn ein Wettbewerb um diese Ressourcen entsteht.
Da Katzen territorial sind, kann es für eine Katze belastend sein, wenn sie das Revier einer anderen betreten muss – etwa um zur Katzentoilette oder zum Futternapf zu gelangen. Achten Sie deshalb darauf, dass es in verschiedenen Bereichen der Wohnung ausreichend Angebote gibt, sodass alle Tiere jederzeit Zugang haben und Konkurrenz vermieden wird. Weitere Hinweise zur Einrichtung eines katzengerechten Zuhauses finden Sie hier.
4. Lesen Sie die Katze

Lernen Sie die individuellen Vorlieben Ihrer Katze in Bezug auf Berührungen kennen und lassen Sie sie von sich aus mit dem Kuscheln beginnen.
Unsere Haustiere sind individuelle Persönlichkeiten mit ganz eigenen Vorlieben. Manche Katzen genießen Nähe und Körperkontakt, andere sind eher zurückhaltend. Es kann ganz natürlich erscheinen, eine verängstigte Katze in den Arm zu nehmen, um ihr Geborgenheit und Sicherheit zu geben.
Während einige Katzen durch Körperkontakt tatsächlich beruhigt werden, empfinden andere dies in stressigen Situationen eher als zusätzliche Belastung. Am besten ist es daher, in der Nähe der Katze zu bleiben, ruhig mit ihr zu sprechen und ihr Sicherheit durch Ihre Anwesenheit zu vermitteln – ohne sie zu bedrängen. Geben Sie ihr die Möglichkeit, selbst Nähe zu suchen, wenn sie sich dafür bereit fühlt.
5. Nutzen Sie ihre Sinne

Wenn Katzen kratzen, senden sie Botschaften, indem sie sichtbare Markierungen und chemische Pheromone hinterlassen.
Die Kommunikation zwischen Mensch und Katze funktioniert ganz anders als zwischen Menschen. Wenn man die natürlichen Verhaltensweisen und Stärken seines Tieres unterstützt, kann das eine beruhigende Wirkung auf die Katze haben. Katzen verständigen sich unter anderem über Gerüche, Berührungen und durch Kratzspuren – als eine Art Nachrichtensystem, sowohl für sich selbst als auch für andere Katzen.
Nutzen Sie dieses Verhalten gezielt, indem Sie Ihrer Katze verschiedene geeignete Kratzflächen anbieten und ihr zeigen, wie ein Kratzbaum verwendet wird. Wichtig ist, dass diese Kratzmöglichkeiten nicht versteckt, sondern in Bereichen stehen, in denen sich das Familienleben abspielt.
Katzenhalter können auch den Geruchssinn ihrer Tiere gezielt nutzen. Lassen Sie Ihre Katze ihren eigenen Duft an Ihnen und anderen Haushaltsmitgliedern hinterlassen – das schafft Vertrautheit. Auf Reisen kann ein vertraut riechender Gegenstand helfen, Ihrer Katze Sicherheit zu geben.
Wenn ein neues Haustier einzieht, ist es sinnvoll, zunächst einen Austausch der Gerüche vorzunehmen, bevor die Tiere sich sehen oder begegnen. In Stresssituationen kann auch ein Raumduft mit beruhigenden ätherischen Ölen – wie Lavendel – unterstützend wirken (wichtig: außerhalb der Reichweite neugieriger Pfoten und nur unter Aufsicht verwenden). Manche Katzen entspannen sich außerdem besonders gut mit Katzenminze.
Auch die anderen Sinne Ihrer Katze können helfen, ein Gefühl der Ruhe zu fördern. Spielen Sie bei Gewitter beispielsweise beruhigende Musik oder weißes Rauschen ab. Wenn Sie tagsüber außer Haus sind, kann ein spezielles Katzenfernsehprogramm eine entspannende Ablenkung bieten.
6. Pheromone

Synthetische Pheromone, die über Sprays oder Diffusoren in die Umgebung abgegeben werden, können Katzen helfen, sich in Stresssituationen ruhiger zu fühlen.
Pheromone sind chemische Botenstoffe, mit denen Katzen untereinander kommunizieren. Sie übermitteln Informationen über Reviergrenzen, markieren sichere Bereiche und helfen, vertraute Gefährten zu erkennen.
Insbesondere die Gesichtspheromone einer Katze signalisieren Sicherheit und Wohlbefinden. Diese wurden in einer synthetischen Formulierung (z. B. Feliway) nachgebildet. Sie lassen sich als Spray oder über einen Raumdiffusor einsetzen, um gestresste oder ängstliche Katzen zu beruhigen.
7. Spielzeit

Beim Spielen wird die nervöse Energie in eine positive Richtung gelenkt, was zu einem ruhigeren Gefühl führt.
Wenn Ihre Katze nervös wirkt und überschüssige Energie zeigt, kann aktives Spielen helfen, diese Spannung abzubauen und für mehr Ausgeglichenheit zu sorgen. Spielzeuge fördern sowohl die geistige als auch die körperliche Aktivität, senken den Stresspegel und stärken zugleich die Bindung zwischen Mensch und Tier. Integrieren Sie regelmäßige Spieleinheiten in den Alltag Ihrer Katze – das kann sich spürbar positiv auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit auswirken.
8. Suchen Sie professionelle Hilfe

Ihr Tierarzt oder ein Tierverhaltensforscher kann Ihnen dabei helfen, die Ursache für den Stress Ihrer Katze herauszufinden.
Zeigt Ihre Katze Anzeichen von auffälligem Verhalten, Körpersprache oder gestresster Kommunikation, können die genannten Maßnahmen in vielen Fällen helfen, sie zu beruhigen. Langfristiger Stress steht jedoch in Verbindung mit gesundheitlichen Problemen wie Erkrankungen der Harnwege oder des Magen-Darm-Trakts.
Wenn Ihre Katze unter anhaltender Unruhe leidet, auffälliges Verhalten zeigt oder insgesamt nicht ausgeglichen wirkt, ist es in jedem Fall ratsam, einen Tierarzt aufzusuchen. Dieser kann mögliche medizinische Ursachen ausschließen, geeignete Behandlungsansätze wie Medikamente oder Ergänzungsfuttermittel empfehlen – und bei Bedarf an eine:n spezialisierte:n Verhaltenstherapeut:in überweisen.