Im letzten Jahrzehnt haben wir zunehmend Tiere zur Erkennung menschlicher Erkrankungen eingesetzt. Zwar übernehmen vor allem Hunde die Rolle medizinischer Erkennungs- und Warntiere, doch es gibt Hinweise darauf, dass Katzen in dieser Funktion ebenso gut – vielleicht sogar besser – geeignet sein könnten als ihre vierbeinigen Kollegen
Es ist daher nachvollziehbar, dass sich manche Halter fragen, ob ihre Katze möglicherweise medizinische Auffälligkeiten erkennen kann. Gerade vor dem Hintergrund, dass Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) – insbesondere bei Mädchen und Frauen – oft erst spät diagnostiziert werden, stellt sich die Frage: Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Ihre Katze Autismus spüren kann?
Was versteht man unter Autismus?
Autismus, auch als Autismus-Spektrum-Störung (ASD) bezeichnet, umfasst eine Vielzahl von Ausprägungen, die sich auf soziale Kommunikation, Interaktion und wiederholende Verhaltensweisen auswirken können. Menschen mit Autismus unterscheiden sich in der Art, wie sich ihr Gehirn entwickelt und Informationen verarbeitet. Das bedeutet, dass sie unter Umständen anders lernen, sich bewegen oder mit ihrer Umwelt interagieren als neurotypische Menschen.
Oft gehen mit Autismus auch sensorische Besonderheiten einher – zum Beispiel eine hohe Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen oder Schwierigkeiten im Umgang mit sozialen Signalen. Die Ausprägungen der Symptome reichen von leicht bis schwer, weshalb von einem „Spektrum“ die Rede ist. Auch das Asperger-Syndrom sowie tiefgreifende Entwicklungsstörungen zählen zum Autismus-Spektrum.
Ist meine Katze in der Lage, Autismus bei mir wahrzunehmen?
In den letzten Jahren werden Tiere zunehmend eingesetzt, um Krankheiten zu erkennen oder ihre Halter auf gesundheitliche Veränderungen aufmerksam zu machen – etwa bei einem niedrigen Blutzuckerspiegel bei Diabetikern oder bei drohenden epileptischen Anfällen.
Hunde werden in diesem Bereich meist bevorzugt, da sie als besonders gehorsam und leicht trainierbar gelten. Es liegt jedoch nahe, dass auch Katzen über die Fähigkeit verfügen könnten, Krankheiten beim Menschen wahrzunehmen. Eine wissenschaftliche Untersuchung zur Geruchswahrnehmung von Katzen zeigt, dass ihr Geruchssinn weitaus komplexer ist als oft angenommen – und dass dieses Thema viel Potenzial für zukünftige Forschung bietet.
Autismus ist eine nicht sichtbare Störung, die auf einer veränderten neurologischen Entwicklung beruht und mit Veränderungen im Gehirn einhergeht. Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Tiere – auch Katzen – Autismus erkennen können. Allerdings nehmen Tiere durchaus Unterschiede im menschlichen Verhalten wahr, insbesondere im Vergleich zu dem, was sie als „normal“ oder – passender formuliert – „neurotypisch“ erleben.
Eine Katze, die in einem neurotypischen Umfeld aufgewachsen ist, kann auf die Ausbrüche oder Zusammenbrüche, die mit einer ausgeprägten Autismus-Symptomatik einhergehen, verunsichert oder ängstlich reagieren. In solchen Fällen erkennt die Katze die Entwicklungsstörung nicht bewusst, sondern reagiert auf eine für sie ungewohnte oder bedrohlich wirkende Situation mit einem entsprechenden Verhalten.
Das Ausmaß der Reaktion hängt stark vom allgemeinen Verhalten der Katze ab – also etwa davon, ob sie eher mutig oder schüchtern ist – sowie davon, ob sie an emotionale Ausbrüche der Menschen in ihrem Umfeld gewöhnt ist. Ähnlich verhält es sich mit einer Katze, die mit Kindern aufgewachsen ist: Sie zeigt in der Regel weniger Angst, wenn sie auf andere Kinder trifft, selbst wenn diese sich unberechenbar verhalten.
Autismus-Assistenztiere
Die meisten bisher veröffentlichten Studien befassen sich mit dem Einsatz von medizinischen Begleithunden – nicht mit Katzen – im Zusammenhang mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASD). Es mehren sich jedoch die Hinweise darauf, dass auch Katzen einen positiven Beitrag zur Mensch-Tier-Interaktion bei Menschen mit ASD leisten können. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Haustiere prosoziale Fähigkeiten und Beziehungen bei Menschen mit Autismus fördern können.
1. Können Katzen eine unterstützende Rolle für Kinder mit Autismus spielen?

Die Aufnahme einer Katze in die Familie wird bei Kindern mit Autismus mit mehr Einfühlungsvermögen, geringerer Trennungsangst und weniger auffälligem Verhalten in Verbindung gebracht.
Untersuchungen zeigen, dass der Umgang mit Haustieren Einsamkeit verringern und Kindern wertvolle Gesellschaft leisten kann. Darüber hinaus können Haustiere soziale Hürden abbauen, indem sie Gespräche und Interaktionen bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen erleichtern. Auch innerhalb der Familie tragen sie zur Entlastung bei – unter anderem, indem sie helfen, Stress zu reduzieren.
Erste Ergebnisse einer laufenden Studie an der University of Missouri zur Adoption von Katzen aus Tierheimen und deren Einfluss auf Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) deuten darauf hin, dass sich die Aufnahme einer Katze positiv auswirken kann: Kinder mit ASS zeigen mehr Empathie, weniger Trennungsangst und insgesamt weniger Verhaltensauffälligkeiten.
2. Können Katzen autistischen Erwachsenen guttun?
Die meisten katzenspezifischen Forschungsarbeiten konzentrieren sich bislang auf den Nutzen für Kinder mit Autismus. Es gibt jedoch zahlreiche Erfahrungsberichte von Erwachsenen mit Autismus, die den positiven Einfluss eines Haustiers bestätigen. Eine aktuelle Studie zeigt ebenfalls, dass der Besitz eines Haustiers das Leben autistischer Menschen spürbar verbessern kann.
3. Welche Katzenrasse eignet sich besonders gut für ein autistisches Kind?
Es gibt keine bestimmte Katzenrasse, die grundsätzlich besser geeignet ist als andere, wenn Sie einen tierischen Begleiter für ein autistisches Familienmitglied suchen. Wichtiger ist die individuelle Persönlichkeit der Katze. Besonders gut geeignet sind Tiere, die freundlich, zutraulich und nicht ängstlich sind. Einige Rassen wie Burma- oder Ragdoll-Katzen bringen solche Eigenschaften häufig mit.
Dennoch ist jede Katze ein Individuum – auch innerhalb besonders zutraulicher Rassen gibt es nervöse oder zurückhaltende Tiere. Katzen, die generell ängstlicher sind, eignen sich möglicherweise weniger gut für den Umgang mit dem oft unvorhersehbaren Verhalten, das bei einer ausgeprägten Autismus-Symptomatik auftreten kann. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass Katzen, die bereits als Kätzchen adoptiert werden, gegenüber Kindern – auch solchen mit Autismus – tendenziell anhänglicher und weniger aggressiv sind als Tiere, die erst im Erwachsenenalter in den Haushalt kommen.
In einer weiteren Studie wurde der Stresspegel von Tierheimkatzen nach ihrer Adoption in Familien mit autistischen Kindern gezielt untersucht. Die Ergebnisse zeigten: Solange die Katzen sorgfältig ausgewählt wurden und die neuen Familien umfassende Informationen über das Verhalten der Tiere erhielten, stieg ihr Stresslevel nach dem Einzug nicht an.
Auch wenn nicht jede Katze als Begleiterin für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung geeignet ist, kommen viele Rassen grundsätzlich infrage. Entscheidend ist letztlich die individuelle Persönlichkeit der Katze – sie spielt die wichtigste Rolle bei der Wahl eines passenden tierischen Gefährten für Familien mit ASS.
Können Katzen selbst autistische Verhaltensweisen zeigen?

So etwas wie eine „autistische Katze“ gibt es nicht – auch wenn manche Katzen unter Angstzuständen oder zwanghaftem Verhalten leiden können.
Bestimmte Verhaltensweisen bei Katzen können bei Halterinnen und Haltern die Frage aufwerfen, ob Katzen autistisch sein können. Tatsächlich zeigen manche Katzen Verhaltensmuster, die an autistische Züge erinnern könnten – etwa zurückgezogenes Verhalten, Zwangshandlungen, Wiederholungen, mangelnde Reaktion auf Ansprache oder das Vermeiden von Körperkontakt.
In der Veterinärmedizin gibt es jedoch keine anerkannte Diagnose, die mit Autismus vergleichbar wäre. Im Bereich der Verhaltensforschung bei Katzen sind definierte Angst- und Zwangsstörungen bekannt, die von manchen Tierbesitzern möglicherweise mit Autismus-Spektrum-Störungen verwechselt werden. Dennoch gilt: Es gibt keine „autistische Katze“.
Katzen mit Verhaltensauffälligkeiten haben möglicherweise besondere Bedürfnisse hinsichtlich ihrer sozialen Interaktion oder der Gestaltung ihrer Umgebung – im Vergleich zu unauffälligen Tieren. Ihre Tierärztin oder Ihr Tierarzt kann Sie hierzu fachlich beraten und Sie gegebenenfalls an einen zertifizierten Tierverhaltensspezialist*in verweisen.
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