Katzen sind außergewöhnliche Wesen – und wer sein Leben mit ihnen teilt, weiß, wie scharf ihre Sinne sein können. Sie erschnüffeln Futter, nehmen selbst kleinste Bewegungen wahr und navigieren mühelos durch engste Zwischenräume. Katzen spüren vieles – oft deutlich früher oder feiner als wir. Aber können sie auch Gefahren instinktiv erkennen?
Auch wenn es keine wissenschaftlichen Belege für einen „sechsten Sinn“ bei Katzen gibt, hält sich dieser Glaube hartnäckig. Vermutlich liegt das daran, dass ihre Sinne in vielerlei Hinsicht deutlich schärfer sind als unsere. Lesen Sie weiter, um mehr darüber zu erfahren, auf welche Weise Ihre Katze potenzielle Gefahren wahrnehmen kann.
1. Sehen
Katzen verfügen über ein hervorragendes Sehvermögen – besonders bei schwachem Licht. Tatsächlich sehen sie in der Dämmerung etwa sechsmal besser als wir Menschen. Ein Grund dafür ist, dass ihre Augen über deutlich mehr Stäbchenzellen verfügen.
Stäbchenzellen sind lichtempfindliche Fotorezeptoren, die es Katzen ermöglichen, selbst bei geringer Beleuchtung Bewegungen und Umrisse zu erkennen. Zudem können sich die Pupillen von Katzen viel weiter öffnen als die des Menschen – so gelangt mehr Licht ins Auge, was ihre Nachtsicht zusätzlich verbessert.
Das Tapetum Lucidum
Katzen besitzen eine besondere Struktur im Auge, die wir Menschen nicht haben: das sogenannte Tapetum lucidum. Wenn Licht ins Katzenauge fällt, trifft ein Teil davon direkt auf die Netzhaut – dort befinden sich die lichtempfindlichen Fotorezeptorzellen, also Stäbchen und Zapfen. Die Signale dieser Zellen werden vom Gehirn verarbeitet, wodurch ein Bild entsteht.
Ein Teil des Lichts jedoch verfehlt die Netzhaut – er durchdringt oder umgeht sie leicht. Dieses Licht trifft dann auf das Tapetum lucidum, eine spiegelähnliche Schicht hinter der Netzhaut. Dort wird das Licht zurückgeworfen und erhält so eine zweite Chance, die lichtempfindlichen Stäbchenzellen zu erreichen. Das verbessert das Sehvermögen bei schwachem Licht zusätzlich – und erklärt, warum Ihre Katze auch bei Dunkelheit noch so gut sieht.
2. Geruch
Der Geruchssinn einer Katze ist unserem deutlich überlegen – auch wenn ihre Nase viel kleiner aussieht als unsere. In der Tat enthält sie wesentlich mehr Geruchsrezeptoren als die menschliche Nase.
Ein besonders beeindruckender Unterschied zeigt sich im sogenannten Riechepithel, also der inneren Auskleidung der Nase, die für die Geruchswahrnehmung zuständig ist. Bei Katzen umfasst diese Fläche etwa 20 Quadratzentimeter – beim Menschen hingegen nur rund 4 Quadratzentimeter.
Katzen können nicht nur besser riechen als Menschen, sondern auch feiner zwischen verschiedenen Gerüchen unterscheiden – sogar besser als Hunde. Verantwortlich dafür ist ein spezieller Rezeptor in der Nase: der sogenannte V1R-Rezeptor.
Katzen besitzen rund 30 dieser Rezeptoren, Hunde lediglich neun und Menschen nur zwei. Das ermöglicht Katzen, eine deutlich größere Bandbreite an Gerüchen zu erkennen und feine Unterschiede wahrzunehmen. Darüber hinaus können sie – anders als wir – auch Pheromone riechen, also chemische Botschaften, die vor allem der Kommunikation dienen.
Das Vomeronasalorgan
Katzen haben gegenüber uns Menschen noch einen weiteren Vorteil, wenn es um den Geruchssinn geht: Sie nehmen Gerüche nicht nur über die Nase, sondern auch über den Mund wahr. Möglich macht das das sogenannte Vomeronasalorgan, auch Jacobson-Organ genannt. Es liegt direkt hinter den oberen Schneidezähnen am Gaumen der Katze.
Dieses Organ hilft Katzen dabei, Pheromone – also chemische Botenstoffe – aufzunehmen. Sie nutzen es, um Duftinformationen von anderen Katzen, Tieren oder auch von uns Menschen zu erfassen.
Vielleicht haben Sie schon einmal beobachtet, wie Ihre Katze mit halb geöffnetem Mund dasteht. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie gerade ihr Vomeronasalorgan benutzt, um Pheromone in der Luft wahrzunehmen. Häufig kräuseln Katzen dabei auch ihre Oberlippe, um möglichst viele Duftpartikel in das Organ zu leiten – dieses Verhalten wird als Flehmen-Reaktion bezeichnet.
3. Hören

Katzen verfügen über ein außergewöhnlich feines Gehör. Sie können Geräusche wahrnehmen, die für das menschliche Ohr längst unhörbar sind – etwa besonders hohe Frequenzen. Dabei bewegen sie ihre Ohren unabhängig voneinander wie kleine Satellitenschüsseln, um die genaue Richtung von Geräuschen zu orten und sie gezielt aufzunehmen.
Katzen hören nicht nur feinere Töne, sondern auch in einem deutlich breiteren Frequenzspektrum und bei höherer Lautstärke als wir Menschen. Ihr Gehör ist extrem sensibel – sogar sensibler als das der meisten Hunde.
Ein weiterer Vorteil: Katzen können ihre Ohren unabhängig voneinander um bis zu 180 Grad drehen. Das hilft ihnen, Geräusche präzise zu lokalisieren – sowohl in Bezug auf Richtung als auch auf Entfernung. Zum Vergleich: Die meisten Menschen können ihre Ohren gar nicht oder nur minimal bewegen.
Im Ohr einer Katze arbeiten rund 32 Muskeln, die es ihr ermöglichen, jedes Ohr nach vorne, zur Seite oder nach hinten zu drehen – und das oft völlig unabhängig voneinander. Zum Vergleich: Der Mensch hat nur neun Ohrmuskeln, was die überlegene Beweglichkeit der Katzenohren gut erklärt.
Katzen hören außerdem in einem deutlich weiteren Frequenzbereich als wir. Ihr Hörvermögen reicht von etwa 48 Hertz bis zu 85.000 Hertz. Zum Vergleich: Menschen hören lediglich zwischen 20 Hertz und 20.000 Hertz. Kein Wunder also, dass Ihre Katze manchmal plötzlich auf ein Geräusch reagiert, das für Sie gar nicht wahrnehmbar ist.
4. Vibrationen
Katzen können selbst feinste Vibrationen im Boden wahrnehmen – dank ihrer empfindlichen Pfotenballen. Was auf den ersten Blick nur weich und niedlich aussieht, erfüllt eine wichtige sensorische Funktion.
In den Zehenballen befinden sich spezielle Nervenenden, sogenannte Pacini-Körperchen, die auf mechanische Reize reagieren. Sie ermöglichen es Katzen, Vibrationen im Frequenzbereich zwischen 80 und 240 Hertz zu spüren. So nehmen sie beispielsweise Schritte, herannahende Tiere oder andere Bewegungen deutlich früher wahr als wir Menschen.
Immer wieder wird behauptet, dass Katzen Naturkatastrophen wie Erdbeben spüren können, noch bevor sie eintreten – und möglicherweise ist da etwas Wahres dran. Es gibt zahlreiche anekdotische Berichte über Katzen, die sich kurz vor einem Beben auffällig oder unruhig verhalten.
Ob Katzen tatsächlich in der Lage sind, winzige Bodenerschütterungen bereits im Vorfeld wahrzunehmen, ist bislang nicht eindeutig wissenschaftlich belegt. Weitere Forschung ist notwendig, um besser zu verstehen, ob und wie Katzen auf Vorboten wie Mikrovibrationen reagieren, die Menschen nicht erfassen können.
5. Geschmack
Dies ist der einzige Sinn, in dem wir Menschen den Katzen überlegen sind. Der Geschmackssinn einer Katze ist im Vergleich zu unserem deutlich schwächer ausgeprägt. Während wir über rund 9.000 Geschmacksknospen verfügen, besitzen Katzen nur etwa 470.
Man geht zudem davon aus, dass Katzen keinen süßen Geschmack wahrnehmen können – ein Unterschied, der auch erklärt, warum sie meist wenig Interesse an Süßspeisen zeigen.
Dafür reagieren sie besonders empfindlich auf bittere und saure Geschmacksrichtungen, was ihnen hilft, potenziell giftige oder unverträgliche Stoffe zu vermeiden – denn viele natürliche Toxine schmecken bitter.
6. Änderungen des Luftdrucks
Die Schnurrhaare – auch Vibrissen genannt – sind hochsensible Tastorgane. Sie reagieren nicht nur auf direkte Berührungen, sondern auch auf subtile Veränderungen in der Umgebung, wie etwa Windrichtungen oder Luftbewegungen. Sogar kleine Schwankungen im Luftdruck können Katzen über ihre Schnurrhaare wahrnehmen.
An den Spitzen der Vibrissen befinden sich empfindliche Nervenenden, die diese Informationen an das Gehirn weiterleiten, wo sie verarbeitet werden. Möglicherweise haben Sie schon einmal bemerkt, dass Ihre Katze sich seltsam verhält oder Laute von sich gibt, bevor ein Sturm aufzieht – das liegt daran, dass sie dank ihrer empfindlichen Schnurrhaare atmosphärische Veränderungen oft deutlich früher spürt als wir.
7. Kampf oder Flucht

Wenn Katzen eine potenzielle Gefahr wahrnehmen, reagieren sie instinktiv – entweder durch Flucht oder Konfrontation. In der einen Situation ziehen sie sich blitzschnell zurück und suchen Schutz, in der anderen stellen sie sich der Bedrohung und verteidigen sich aktiv.
Bei all ihren geschärften Sinnen ist es kaum verwunderlich, dass Katzen ständig in erhöhter Alarmbereitschaft sind. Sie sind darauf programmiert, auf jede wahrgenommene Bedrohung sofort zu reagieren – und genau deshalb erschrecken sie manchmal auch vor eigentlich harmlosen Auslösern. Katzenbesitzer kennen dieses Verhalten gut: Ein plötzlicher Knall reicht oft aus, damit die Katze erschrocken in Deckung springt.
Spürt eine Katze, dass sich eine potenzielle Gefahr nähert – etwa ein Raubtier oder etwas, das sie als bedrohlich einstuft – bereitet sie sich unter Umständen auf eine Konfrontation vor. Ihre Körpersprache verändert sich deutlich: Sie duckt sich tief, das Fell stellt sich auf, und die Krallen werden ausgefahren. Diese Kampf-oder-Flucht-Reaktion dient dem Zweck, eine Bedrohung schnell und möglichst effektiv abzuwehren oder ihr zu entkommen.
-
Shreve, KRV (2017). Stress, Sicherheit und Geruch: Der Einfluss chemischer Signale auf das Sozialleben von Hauskatzen und Implikationen für angewandte Umgebungen. Applied Animal Behaviour Science Volume 187. Abgerufen am 1. November 2022